Tanzperformance „Until the Beginnings“Das Kölner Sommerblut-Festival startet furios

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Auf dem Bild sind ein Tänzer und eine T#nzerin zu sehen, in schwarz-weißer Kleidung. Die Tänzerin umklammert den Tänzer mit ihren Händen, er ist in geduckter Haltung.

Mit der Performance „Until the Beginnings“ eröffnet das Sommerblut Festival

Mit „Until the Beginnings“ wurde das Sommerblut-Festival eröffnet. Das afrikanisch-europäische Tanzprojekt macht Gastfreundschaft zum Thema.

Als die Rapperin Shelly Quest im Depot 2 die Bühne betritt und in den Raum fragt: „Was tun wir?“, folgen ihr acht Tänzerinnen und Tänzer mit einer klaren Antwort: „Liebe verbreiten!“. Dann schenken sie den Gästen in der ersten Reihe Blumen. Die Tanzperformance „Until the Beginnings“ greift damit ihr Kernthema auf, die Gastfreundschaft.

Es ist die erste Veranstaltung des Sommerblut-Festivals. Vom 4. bis zum 20. Mai bringt das Kölner Festival Konzerte, Ausstellungen oder Tanzaufführungen auf die Bühne. Das Motto „Eat the Borders“ ist dabei so politisch, wie es klingt. Viele Veranstaltungen greifen Themen um Flucht und Migration auf, aber es geht allgemein um die Frage, wo Grenzen verlaufen, wo sie überschritten werden.

Sommerblut Festival startet mit „Until the Beginnings“

Sinnbildlich dafür stehen auch die Tänzerinnen und Tänzer bei der Eröffnung. Für „Until the Beginnings“ haben sich das Kollektiv Mouvoir aus Köln und die École de Sables aus Senegal zusammengeschlossen, die Choreografie stammt von Stephanie Thiersch und Alessandra Seutin. Der Zusammenhang von Flucht und Tanz erschließt sich mit einer Aussage aus dem Song „Borders“. Zeiten von Mauern und Grenzen, in denen selbst Kinder in Käfige gesteckt werden, lassen Shelly Quest konstatieren: „There’s no freedom of movement“. Eigentlich gilt das gerade nicht für die Tänzer, die in kleinen Soli oder Duetten die ganze Schönheit ihres Handwerks abrufen.

Gleichzeitig ist ihr Tanz auch immer wieder wie ein Kampf um die eigene Freiheit. Mal recken die Tänzerinnen und Tänzer energisch ihre Fäuste gen Himmel, als würden sie ihm drohen wollen. Dann scheinen sie mit den Bewegungen zu verschleißen. Die Brüche begleitet Tarang Cissokho mit Percussion und seiner Kora, einer westafrikanischen Stegharfe. Immer wieder findet er mit ihr bedächtige Klänge, ab und an unterstützt von Gesang.

Gastfreundschaft wird als Tanzperformance vorgelebt

Dann schaffen sich ein Tänzer und eine Tänzerin mit ihrem Atem ihren eigenen Rhythmus. Sie krümmen sich beim Ausatmen bucklig, um beim Einatmen wieder mit der Brust nach oben zu schießen wie beim Auftauchen aus dem Wasser. Was zunächst wie das Hecheln nach dem Treppensteigen klingt, steigert sich allmählich zu einer Panikattacke, die ihnen alles abverlangt. Und es ist eine Erlösung, als der Rhythmus des Atems plötzlich zu Stille wird und die beiden eng umschlungen tanzen, als würden sie zusammen schlafwandeln. 

Zu den Stärken der Performance gehört, dass sie immer wieder ikonische Standbilder schafft, die einem durch Mark und Bein gehen. Das mag nur zum Teil an den Bewegungen liegen und mehr am Zusammenhang von Grenzen und Gastfreundschaft, besonders vor der anstehenden Europawahl. Aber wenn die Tänzer sich nach einem Workout ausruhen, manche kniend und den Kopf auf den Boden gelegt, andere gleich alle Viere von sich streckend, muss dabei unweigerlich an Alan Kurdi denken, den zweijährigen Jungen, der 2015 im Mittelmeer ertrank.

Zum Schluss bilden die Tänzerinnen und Tänzer eine Einheit

Aus dem Tanz wird ein Theaterstück, als eine Tänzerin sich dem Publikum nähert und dabei einen überlangen, aus unzähligen Kleidungsstücken zusammengeflickten Mantel hinter sich herschleift. „Kann ich reinkommen“, bittet sie, doch einmal drinnen fordert der unsichtbare Gastgeber etwas ein. Sie sucht einen Kompromiss: „Kann ich die Blumen behalten und du bekommst den Mantel? Würdest du mich über die Kölner Straßen nach Hause gehen lassen, in einer Winternacht, nackt, mit deinen Blumen? Dir wäre sehr warm. Zu Hause. Mit meinem Mantel an. Mir wäre kalt. Aber ich hätte die Blumen und die Nacht.“

Die anderen Tänzerinnen und Tänzer verbergen sich unter dem Mantel. Nach dem Monolog ziehen sie ihn als ein großes, zusammenhängendes Kleidungsstück gemeinsam an. Dann tanzen sie behutsam im Kreis.


Zur Veranstaltung

Weitere Spieltermine von „Until the Beginnings“ im Tanzhaus NRW in Düsseldorf: 16.05., 17.05. und 18.05. jeweils um 20.00 Uhr. 

Das Sommerblut Festival findet vom 4. bis zum 20. Mai statt. Alle Informationen gibt es hier.

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