Drogenopa verurteilt60-Jähriger fährt mit einem Kilo Kokain im Auto

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Kokain liegt auf einem grünen Untergrund.

Mit einem Kilo Kokain wurde ein Niederländer erwischt.

Der Senior wurde am Rastplatz Königsforst aus dem Verkehr gezogen. 

Die beiden Kölner Zollbeamten hatten wieder einmal den richtigen Riecher, als sie sich am 16. November 2023 mit ihrem Streifenwagen an der A3-Auffahrt Königsforst in Richtung Süden postierten und ihnen der weiße VW Golf GTE mit dem alleinreisenden 60-Jährigen aus den Niederlanden auffiel. Am Rastplatz Königsforst zogen sie ihn aus dem Verkehr.

„Er war ausgesprochen nett, begrüßte uns und berichtete, dass er auf dem Weg nach Frankfurt sei, weil man da so gut Weihnachtsgeschenke einkaufen können“, berichtet der ältere der beiden Beamten, ein sportlicher Endfünfziger in Jeans, als Zeuge vor dem Schöffengericht. Während er mit dem in der früheren Kolonie Surinam (Südamerika) geborenen Niederländer aus Rotterdam sprach, kontrollierte sein 20 Jahre jüngerer Kollege das Fahrzeug. Und bald schon klickten die Handschellen.

Rund ein Kilo Koks im Gepäck

Gut fünf Monate später, nach gut fünf Monaten Untersuchungshaft in einem Land, dessen Sprache er nicht versteht, sitzt John B. (Name geändert) als Angeklagter neben seinem Strafverteidiger Udo Klemt vor dem Bensberger Schöffengericht. Die Einfuhr von und den Handel mit rund einem Kilo Kokain wirft ihm der Staatsanwalt vor.

Im Zuschauerbereich des frisch renovierten Saales sitzen John D.‘s Tochter und der  sechs Monate alte Enkelsohn. Der Kleine scheint alle, die an diesem Nachmittag im Gericht Überstunden machen, zu bezaubern – Babys mit großen Augen, die noch nicht reden und noch nicht laufen können, aber hellwach die Umgebung wahrnahmen, haben das so an sich.

Sympathien im Bensberger Amtsgericht

Dabei wird im Saal ein Verbrechen verhandelt, für das es bis zu 15 Jahre Haft gibt. Der Bensberger Strafverteidiger Klemt müht sich noch Kräften, Sympathiepunkte für seinen Mandanten zu sammeln. Er erzählt die Geschichte von John D.: Geboren 1963 in Surinam, als das Land noch niederländische Kolonie war, kam er 1965 ins niederländische Mutterland nach Europa, wo er mit drei Brüdern und einer Schwester aufwuchs. Klemt gewährt den Zuhörenden einen Satz aus der rheinisch-bergischen Volkshochschule: „Surinam erlangte in dem Jahr seine Unabhängigkeit, in dem Bensberg sie verlor, nämlich 1975.“

John D. machte seinen Weg, Schule, Ausbildung, Arbeit, Familie, bis sich Ende der 2010er-Jahre Probleme auftürmten: Konkurs des Arbeitgebers, Knie-Operation mit Komplikationen, Scheidung, Verlust des Hauses, Depressionen. Er zog von Amsterdam nach Rotterdam, wohnte bei einem Cousin, kam allmählich wieder auf die Füße, lieh sich 2000 Euro für Küchenausstattung bei einer Bekannten, die er dann nicht zurückzahlen konnte. Die Frau drängte auf ihr Geld und vermittelte dem bis dahin stets rechtstreuen John D. den Kontakt zu einem „Henk“, der ihm für gewisse Transporte 750 Euro zahlen würde.

Kokain war nicht gut versteckt

John D. ließ sich darauf ein, fuhr nach Utrecht, „Henk“ legte ihm etwas ins Auto und programmierte das Navi auf die Frankfurter Innenstadt. Dort würde er erfahren, wohin es weitergehen solle, nach Wien oder nach Prag. John tankte voll, fuhr los – und nach rund 230 Kilometern gegen 9 Uhr morgens den Kölner Zöllnern in die Arme. Vielleicht war es ja nicht die beste Idee gewesen, im November morgens um 9 in Fahrtrichtung Süden schon eine Sonnenbrille zu tragen.

Der Zollbeamte, der den Wagen kontrollierte, hatte damit nicht sonderlich viel Arbeit. Das knappe Kilo Kokain war nicht kompliziert versteckt, sondern es lag, gut verpackt, im Handschuhfach. John D. wurde festgenommen, in Bensberg wurde ihm der Haftbefehl verkündet.

Angeklagter ist auch beim Prozess in Bensberg freundlich

Am Tag seines Prozesses ist der ältere Herr genauso freundlich, wie ihn der Zollbeamte bereits bei der Kontrolle erlebt hat. Zur Stunde der Wahrheit kommt es gleichwohl. „Eins verstehe ich nicht“, sagt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer: Wie sei der stets korrekte 60-Jährige dazu gekommen, sich zu dieser Tat hinreißen zu lassen? Der Drang, seine Schulden endlich zu begleichen, überzeuge nicht: „Wir haben auf den Fotos Ihr Auto gesehen. Sie hätten es verkaufen und sich ein kleineres kaufen können.“ Für Einfuhr und Handel fordert der Ankläger drei Jahre und drei Monate Haft – ohne Bewährung, versteht sich, denn Bewährung  geht nur bis zwei Jahre.

Verteidiger Klemt lobt die gute Absucht seines Mandanten, der stets redlich gelebt und gearbeitet habe und nun einmal einen kleinen Fehler gemacht habe, weil er seine Schulden bezahlen wollte. Aufgrund der Gesamtumstände sei das trotz der hohen Menge ein minder schwerer Fall, womit eine Bewährungsstrafe möglich und angemessen sei.

John D. selbst bedauert in seinem fast zehn Minuten letzten Wort, das eine Dolmetscherin ins Deutsche übersetzte, seine Tat und bittet unter Tränen seine Familie wie auch die Gesellschaft um Entschuldigung.

Über zwei Jahre Haft

Um kurz vor 17 Uhr verkündet schließlich Richterin Britta Epbinder das Urteil des Schöffinnengerichts: Zwei Jahre und zehn Monate Haft. Damit bleibt Johns D. zumindest zunächst in der JVA Köln-Ossendorf, bevor er womöglich zur weiteren Strafverbüßung in sein Heimatland überstellt wird. In der Begründung stimmt die Berufsrichterin dem Verteidiger im Grundsatz zu, dass auch bei einer hohen Menge theoretisch ein minder schwerer Fall möglich sei. Bei John D. sei das aber nicht gegeben.

Ganz am Ende erlauben die Wachtmeister dem Häftling, sich kurz von Tochter und Enkel zu verabschieden. „Keine Berührungen“, heißt es.  Zwei, drei Küsschen vom Opa für den Enkel auf dem Arm der Mama duldet die Justiz dann aber doch. Anschließend geht es für Opa John wieder zurück nach Ossendorf, wo er in den vergangenen Monaten schon ganz gut Deutsch gelernt hat.

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