ErdüberlastungstagKlimaschützer in Bergisch Gladbach kritisieren ein Leben auf Pump

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Mitglieder der Initiativen stehen vor Plakaten und trommeln, um auf ihre Veranstaltung aufmerksam zu machen.

In der Bergisch Gladbacher Fußgängerzone haben Umweltschützer am Erdüberlastungstag 2024 auf die Endlichkeit der Natur-Ressourcen aufmerksam gemacht.

Die Ressourcen für 2024 sind verbraucht, mahnen die beiden Initiativen Klimafreunde und KlimaGerecht Leben bei einer Kundgebung in der Fußgängerzone.

Die Menschen in Deutschland leben aus ökologischer Perspektive auf viel zu großem Fuß. Darauf weisen die Klimafreunde Rhein-Berg und die Initiative KlimaGerecht Leben am Erdüberlastungstag in Bergisch Gladbach hin, der für Deutschland in 2024 auf den 2. Mai fällt. „Wenn alle Länder weltweit so leben würden wie wir in Deutschland, dann bräuchten wir drei Erden“, analysiert Roland Vossebrecker von der Initiative KlimaGerecht Leben bei einer Kundgebung in der Fußgängerzone.

Über der kleinen Bühne hängt ein Banner mit der Aufschrift „SOS! Die Erde ist erschöpft“. Rechts und links stehen Plakatständer mit Infos. Rhythmisches Trommeln zum Auftakt der Demonstration lockt eine kleinere Gruppe von Zuhörern an. Es ist der Tag, an dem Deutschland, die dem Land global zu stehenden Naturvorräte für 2024 aufgebraucht hat. „Irgendwie ein Trauertag“, stellt Schülerin Hannah Krumm als erste Rednerin fest, „ab jetzt leben wir die restliche Zeit des Jahres über unsere Verhältnisse und auf Kosten anderer.“

Es ist und bleibt mühsam, die Menschen aufzurütteln
Roland Vossebrecker, Initiative KlimaGerecht Leben

Simon Käsbach, Schüler aus Kürten, engagiert sich ebenfalls bei KlimaGerecht. Sein Antrieb, auf die Bühne zu treten: „Die bedrohlichen Fakten zur Klimakrise und das Erleben der Hitzerekorde der vergangenen Jahre bedrücken mich“, sagt er.

Moderator Vossebrecker sagt vor der Veranstaltung: „Es ist und bleibt mühsam, die Menschen wachzurütteln. Denn wir machen sie auf den unangenehmen Sachverhalt aufmerksam, dass wir über unsere Verhältnisse leben.“ Aber aufzugeben, sei keine Option. „Der Kampf um Klimagerechtigkeit lohnt sich auch, wenn wir ihn verlieren“, meint der Mitbegründer der Initiative KlimaGerecht, die sich im Sommer vor zwei Jahren gegründet hat und inzwischen aus zwölf aktiven Mitstreitern besteht.

Es gibt viele Möglichkeiten, den Energieverbrauch zu senken

„Wenn ich mich einfach der Klimakatastrophe aussetzen würde, wäre ich ein Kandidat für eine Klima-Depression“, erzählt er. An dieser Haltung könnte auch ein Hasskommentar nichts ändern, in dem das Engagement für die Umwelt kurz vor der Veranstaltung am Donnerstag, mit dem einer Sekte verglichen worden sei.

„Wir sind vor allem hier, um Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wie wir alle ein klimagerechtes Leben gestalten können“, sagt Martin Häusling vom Verein Klimafreunde Rhein-Berg. Es gebe viele Maßnahmen, die den Ressourcenverbrauch senken können. „Erneuerbare Energien ausbauen, weniger tierische Produkte konsumieren, vom Auto aufs Fahrrad oder den öffentlichen Nahverkehr umsteigen“, zählt Häusling auf.

Die Idee des „Handabdrucks“ wird ins Spiel gebracht

Jeder könne seinen eigenen Fußabdruck verringern. Ins Spiel bringt Häusling die Idee, den „Handabdruck“ zu vergrößern. Damit gemeint ist, „Handeln statt nur reden“, erklärt er. Sich im persönlichen Umfeld und am Arbeitsplatz für Nachhaltigkeit einsetzen, konkret Energie sparen und sie effizient nutzen, selbst Energie erzeugen durch Photovoltaik-Anlagen auf dem Hausdach, schlägt er konkrete Möglichkeiten vor.

„Weiter so, geht nicht mehr“, betont Häusling, „Klimaschutz ist ein Menschenrecht.“ Wichtig sei ihm auch, die Politik in die Pflicht zu nehmen: Es gebe zwar ein Klimaschutzgesetz. „Auf dem Papier nützt das nichts. Es muss umgesetzt werden“, fordert er.

Schülerin zitiert aus einem Son der Rockband Die Ärzte

In den Statements aller Redner – dazu gehören außerdem Marc vom Hofe vom Bergischen Naturschutzverein, Friedrich Bacmeister, Fraktionschef der Gladbacher Grünen, sowie die Gladbacher Schülerin Noemi Coumont – steht die Frage im Mittelpunkt, was kann jeder Einzelne tun. Noemi Coumont zitiert die Rockband Die Ärzte mit einer Zeile aus ihrem Song „Deine Schuld“: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt so ist, wie sie ist. Es wäre deine Schuld, wenn sie so bleibt.“

Die Hoffnung der Veranstalter, nach der Kundgebung mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, macht das Wetter zunichte. Düstere Wolken ziehen auf, heftige Windböen rütteln an den Plakatständern, sodass einer umkippt. Die Zuhörergruppe zerstreut sich. Vielleicht gibt es die Möglichkeit zur Diskussion beim bundesweiten Klimastreik am 31. Mai. „Die Vorbereitungen für eine Aktion in Bergisch Gladbach laufen bereits“, kündigt Vossebrecker an.


Deutschlands Ressourcen sind aufgebraucht

Der Earth Overshoot Day – auf Deutsch: Erdüberlastungstag – wird jährlich vom Global Footprint Network mit Sitz in Kalifornien sowohl für jedes Land als auch global berechnet. Rechnerisch sind an diesem Tag alle natürlichen Ressourcen verbraucht, die von der Erde innerhalb eines Jahres regeneriert werden können.

Ab diesem Tag verbrauchen die Menschen also mehr, als sie liefert. Weltweit gesehen wird der Überlastungstag in 2024 Ende Juli oder Anfang August erreicht sein. Deutschland liegt also mit dem Datum 2. Mai wie viele andere Industriestaaten im vorderen Drittel der Länder und schneidet damit vergleichsweise schlecht ab.

Nach den Berechnungen von Umwelt- und Klimawissenschaftlern liegt der Überlastungstag in Deutschland 2024 sogar zwei Tage früher als noch im vorigen Jahr. In Frankreich liegt der symbolische Tag ebenfalls Anfang Mai. In Katar oder in Luxemburg war er bereits Mitte Februar erreicht, in den USA dagegen erst Mitte März. Der Staat Indonesien kommt mit seinen Ressourcen wohl bis Ende November aus. (ub)

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